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Jürgen Klopp: Warum ihm Winnetou wichtig ist | SPORT1-Leadertalk mit Mounir Zitouni

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Jürgen Klopp: Warum ihm Winnetou wichtig ist | SPORT1-Leadertalk mit Mounir Zitouni

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Warum Winnetou für Klopp wichtig ist

Jürgen Klopp gilt als einer der größten Menschenfänger im Fußball-Business. Im SPORT1-Podcast Leadertalk mit Mounir Zitouni spricht er darüber, was ihm als Trainer besonders wichtig ist.
Scheinbar konnte Liverpool-Trainer Jürgen Klopp das Endergebnis gegen Bournemouth nicht ganz nachvollziehen. Der Deutsche sprach nach dem deutlichen 9:0-Kantersieg dennoch von einem perfekten Wochenende.
Mounir Zitouni
Mounir Zitouni

Da, wo Jürgen Klopp ist, liegen ihm die Menschen zu Füßen.

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In Mainz zwischen 2001 und 2008 war das genauso der Fall wie in Dortmund (2008-2015) oder wie in Liverpool seit 2015. Dazu ist der 55-Jährige sehr erfolgreich. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Premier League)

Mit Mainz 05 stieg Klopp in die Bundesliga auf, mit dem BVB gewann er zweimal die Deutsche Meisterschaft und wurde Pokalsieger, mit dem FC Liverpool holte er den englischen Meistertitel, die Champions League, FA Cup und die Klubweltmeisterschaft.

  • Leadertalk - der SPORT1 Podcast von und mit Business-Coach und Autor Mounir Zitouni - die aktuelle Folge bei SPORT1, auf meinsportpodcast.de, bei Spotify, Apple Podcasts und überall, wo es Podcasts gibt

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Der 55-Jährige kann wie kein anderer Menschen begeistern, mitnehmen und motivieren.

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In außergewöhnlichen 57 Minuten erklärt Klopp im Gespräch mit Business-Coach und Autor Mounir Zitouni, den er schon seit 30 Jahren kennt, seinen Antrieb, die Grundsätze im Umgang mit seinen Mannschaften, was für ihn Wertschätzung bedeutet, wie er im Schwäbischen groß geworden ist und was Winnetou mit seiner Lebenseinstellung zu tun hat.

Ein eindrucksvolles Gespräch über die Essenz von Leadership mit einer der größten Persönlichkeiten im aktuellen Fußballgeschäft weltweit.

Klopp stellt Beziehungen über Trophäen

Sieben Jahre Mainz, sieben Jahre Dortmund und mittlerweile auch sieben Jahre in Liverpool. Die Treue des Liverpool-Coachs kommt nicht von ungefähr.

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„Darum war ich eben so lange in den Vereinen: Weil ich eine Beziehung zu den Spielern aufbaue, aufbauen möchte. Ich möchte mit den Leuten, mit denen ich zusammenarbeite, eine Beziehung haben, ein Verhältnis. Ich möchte die Zeit mit ihnen nutzen und nicht nur für die Spieler, sondern auch für mich“, erklärt Klopp. Ihm geht es nicht nur um Trophäen. „Es gibt zigtausend Trainer, die viel erfolgreicher waren als ich. Die sammeln Titel und ich sammle Beziehungen.“

Das heißt: Klopp zieht eine unglaublich große Motivation aus der Arbeit mit Spielern, Mitarbeitern, Trainerkollegen. „Ich betreibe den Job für Menschen, aber auch mit Menschen. Wenn du eine Konstellation geschaffen hast, in der du einfach super gerne hingehst, dann geht es für mich nicht darum, dass wir jetzt jedes Jahr alle Titel abräumen, sondern es geht darum, dass wir uns jedes Jahr alles abverlangen. Und dann hast du einfach unglaublich viele Momente zusammen. Und nicht nur die Momente, wo du den Pokal in den Händen hältst, sondern das können ganz andere Momente sein.“

Momente wie der Mannschaftsabend auf einer Berghütte in Österreich während des Trainingslagers im Juli.

Klopp schwärmt: „In meinen über 20 Jahren hatte ich noch nie solch einen Mannschaftsabend wie in diesem Sommer. Unfassbar war das. Das hatte ich so noch nie und ich hatte viele wunderbare Mannschaften. Die ganzen Angestellten auf der Berghütte, die hatten Tränen in den Augen. Eine Mannschaft lebt ja von dem Gefühl, das sie füreinander entwickelt. Das kann man anstupsen, aber es muss sich am Ende frei entwickeln. Man kann ja niemanden zwingen, jemand anderes zu lieben. Aber da haben wir offensichtlich eine Truppe über die Jahre zusammengestellt, die Neuzugänge mit so viel Herzlichkeit aufnimmt, dass selbst die nach ganz kurzer Zeit einfach mittendrin sind.“

Liverpool-Trainer will Geschichte schreiben

Und das Ziel seiner Arbeit? „Ich möchte mit den Jungs Geschichte schreiben. Aber nicht für die Außenwelt, dass wir die Besten sind, die Größten, sondern unsere Geschichte schreiben.“

Erfolg ist für Klopp relativ. Aber wie funktioniert das in einer Welt, in der der Druck seitens Öffentlichkeit riesig ist? „Dieses Recht nehme ich mir raus, dass ich für mich entscheide, was Erfolg ist. Erfolg kann das sein, was alle anderen als Erfolg bezeichnen oder was ich selber als Erfolg bezeichne. Das heißt, mit einem verlorenen Finale verschwende ich keine Lebenszeit. Ich versuche, alles zu gewinnen, und wenn das nicht funktioniert, haben wir viele tolle, tolle Tage gehabt. Das Erreichen eines Finals ist ein Erfolg. Er wird nur von außen nicht so betrachtet, aber das könnte mir persönlich nicht egaler sein. Mich interessiert der Prozess, wie wir dorthin kommen. Mich interessiert, was haben wir richtig gemacht und was haben wir falsch gemacht?“

Dabei schließt er sich mit ein. „Ich fühle mich für Niederlagen viel mehr verantwortlich als für Siege. Ich kann sogar sagen: Für Siege fühle ich mich manchmal gar nicht verantwortlich. Sich für eine Niederlage verantwortlich zeigen, bedeutet dann gleichzeitig, dass ich dafür sorgen muss, dass wir das nächste nicht auch noch verlieren. Wo war ich nicht gut genug? Wo war ich nicht klar genug? Wo habe ich mich nicht richtig ausgedrückt? Wo habe ich nicht klar genug aufgezeigt, warum wir das eigentlich machen? Und was müssen wir im Training ändern? Wenn wir gewonnen haben, dann hat alles funktioniert. Das hält mich am Laufen, wenn was nicht funktioniert hat, denn dann muss ich besser sein.“

23. Mai 2004: Mainz 05 schafft erstmals den Aufstieg in die 1. Bundesliga. Trainer Jürgen Klopp ist nach diesem Meilenstein zu Tränen gerührt.
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SPORT1 Bundesliga Classics: Jürgen Klopp schafft erstmals mit Mainz den Aufstieg

Klopp erinnert sich an seine Anfänge als Trainer

Klopp erinnert sich zurück, an seine Anfänge, als der Mainzer Manager Christian Heidel ihn 2001 völlig überraschend vom Spieler zum Trainer machte. „Meine Karriere, wie ist das denn abgelaufen? Ich konnte nie jemanden über die Schulter schauen. Ich habe am Sonntag gespielt und war am Montag Trainer. Von dem Tag an hatten alle Menschen Fragen an mich, für die ich noch gar keine Antwort haben konnte. Die musste ich mir über die Jahre erarbeiten. Im Sommer, nachdem wir mit Mainz die Klasse gehalten haben, habe ich mir erst mal ganz viele Gedanken über mich selber gemacht. Was bin ich eigentlich für ein Typ und wie möchte ich den Umgang mit einer Mannschaft haben?“

Für den 55-Jährigen war ganz schnell klar: Er will eine offene Tür. „Und wenn du das zulässt, dann kommen viel mehr Fragen als bei anderen Trainern. Ich habe die Jungs nie gefragt, was wir im Training machen sollen, aber es geht darum, wenn ihnen irgendwas nicht gefällt, dann müssen sie das sagen können. Wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen, dann müssen sie das sagen können. Wir können am Tag vorher 5:0 verloren haben: Wenn du am nächsten Tag mit mir über irgendwas Privates sprechen willst, möchte ich, dass du kommst. Das ist natürlich intensiv, aber das fällt mir nicht schwer, weil ich jemand bin, der sich total gern mit Menschen beschäftigt“, bekräftigt „Kloppo“, wie er von fast allen gerufen wird. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Premier League)

Liverpool-Trainer Jürgen Klopp übt scharfe Kritik am ehemaligen PL-Spieler Gaby Agbonlahor. Der Talksport-Experte kritisierte die Leistung von Manchester United nach der 0:4-Pleite gegen Brentford.
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Jürgen Klopp kritisiert TV-Experten Gaby Agbonlahor

Klopps Ziel: „Menschlich sein“

Für ihn ist klar: „Das ist die Nummer 1 meiner Charaktereigenschaften: Ich bin neugierig und an Menschen um mich herum interessiert. Es ist ein Anspruch von mir an mich selber: menschlich zu sein.“

Den Blick für Nummer 18, 19 und 20 zu haben, das macht für ihn die Trainerarbeit vor allem aus, sagt Klopp. „Wir brauchen alle positives Feedback. In unserer Entwicklung, und ich weiß ehrlich gesagt nicht, wann die aufhört, müssen wir positives Feedback bekommen für das, was wir getan haben. Das brauchen wir, aber vergessen das über die Jahre, dass es andere auch brauchen. Dass wir es selbst brauchen, das vergessen wir nie. Das habe ich früher immer gehasst. ‚Die B-Elf hat ihre Chance nicht genutzt.‘ Hör mir auf, was ist das denn für ein Satz. Wer ist denn verantwortlich, dass die B-Elf ihre Chance nicht genutzt hat? Ja, natürlich der Trainer der A-Elf.“

Doch Klopp warnt auch: Es darf nicht zu viel der Mitsprache sein. „Wenn wir eine Mannschaftssitzung haben, dann gibt es einen, der spricht, und das bin ich. Dort wird nicht diskutiert. Das funktioniert so nicht. Man darf den Trainer nicht vor versammelter Mannschaft infrage stellen. Das geht nicht. Wenn elf Mann das Gleiche falsch machen, hast du immer noch eine Chance zu gewinnen. Wenn bei elf Spielern jeder das macht, was er will, dann bist du verloren. Wenn ich einen Plan vorgebe, dann ist das der Plan. Wenn dir daran was nicht gepasst hat, dann kommst du am nächsten Tag und es wird drüber gesprochen. Kein Problem. Aber nicht in der Situation, das ist wirklich wichtig. Eine Mannschaft braucht einen, der die Idee vorgibt, und Spieler, die ihr folgen.“

Am 16. April 2005 trifft der FSV Mainz 05 im Kellerduell gegen Borussia Mönchengladbach erst in der Nachspielzeit zum 1:1 - Endstand. Mainz-Trainer Jürgen Klopp sprintet bis hinters Tor, um mit seinen Spielern zu feiern.
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SPORT1 Bundesliga Classics: Mainz-Trainer Jürgen Klopp mit Jubellauf

Liverpools legendäre Aufholjagd: Das sagte Klopp

So wie beim legendären 4:0-Sieg in der Champions League gegen Barcelona, als man einen 0:3-Rückstand aus dem Hinspiel aufholte.

„Ich habe damals in der Sitzung vor dem Barcelona-Spiel 2019 gesagt: Es ist eigentlich unmöglich, das aufzuholen. Aber weil ihr es seid, haben wir eine Chance. Es war genau das, was ich gedacht habe. Ich habe nicht gedacht, oh, der Satz klingt gut. Und dann kam: Wenn wir es so machen, Barcelona in einer Art und Weise unter Druck setzen, wie sie es tatsächlich noch niemals in ihrem Leben erfahren haben. Damit müssen wir anfangen. Leute, wir müssen wahnsinnig mutig sein. Das bedeutet, wir lassen Räume für Barcelona offen, die sie für gewöhnlich nutzen, aber nur dann, wenn wir sie in anderen Räumen spielen lassen. Mit diesem Mut und dieser Zuversicht, die wir alle empfunden haben nach der Sitzung, sind wir dann rausgegangen und sind das volle Risiko eingegangen, von Barcelona nach zehn Minuten abgeschossen zu werden.“ (DATEN: Die Tabelle der Premier League)

Strafen? „Winnetou hat mich erzogen“

Eine klare Ansage gehört für den FIFA-Welttrainer von 2019 und 2020 also unbedingt zur Mannschaftsführung. Strafen sind Klopp dennoch nicht wichtig im Detail, wie er erzählt. „Bei uns ist es so, ich kenne die Strafen gar nicht. James Milner weiß das und er kommt dann zu mir und sagt, das ist zu wenig, das kann nicht nur 500 kosten. Dann sage ich okay, was solls kosten? Ja, tausend, sagt er. Okay. Mir ist das im Grunde genommen wurscht. Es geht mir nicht darum, dass ich bestrafe. Es geht mir darum, dass Jungs feststellen, es gibt Konsequenzen.“

Das hat er schon früh gelernt. „Wer mich auch erzogen hat, ist Winnetou. Karl May. Bis heute verstehe ich nicht, wieso damals Pierre Brice erschossen wurde und nicht Lex Barker. Da hast du Winnetou geguckt und gedacht, am Ende gewinnen immer die Guten. Bis heute bin ich ein großer Verfechter des Happyends. Ich will an das Gute glauben. Ich weiß, es ist nicht immer gut. Es gibt aber die Bereiche, wo wir alles tun, damit es eben gut ausgeht. Weil wir nur dieses eine Leben haben, soweit wir wissen; und unsere Aufgabe ist es, es so cool und schön zu machen, wie es geht. Und das versuche ich.“

Mounir Zitouni (51) war von 2005 bis 2018 Redakteur beim kicker und arbeitet seitdem als Businesscoach, betreut Sportler, Trainer und Führungskräfte in punkto Auftreten, Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung. Der ehemalige Profifußballer (OFC, SV Wehen, FSV Frankfurt, Esperance Tunis) hat zuletzt die Autobiographie von Dieter Müller verfasst und veröffentlicht regelmäßig eine Kolumne auf www.sport1.de.