Gefragt nach seinem Vorbild im Fußball, muss Alexander Stoler nicht überlegen: Es ist sein Großvater, der in der Ersten Sowjetischen Liga gepfiffen hat - und später in der Ersten und Zweiten Liga der Ukraine als Schiedsrichter-Beobachter tätig war.
Ukraine? „Wichtig, präsent zu sein“
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Stoler hat den Sport auch als Aktiver am Ball beim TuS Makkabi Frankfurt geliebt, spricht sich aber das Talent ab und erzählt lachend, so sei der Wunsch, Schiedsrichter zu werden, schon früh in ihm gereift.
Dabei konnte er dem Fußball verbunden bleiben, ohne selbst weiter zu spielen. Und er konnte aktiv werden gegen Unrecht, wie er selbst es erfahren hat: Stoler wird als jüdisches Kind auf dem Feld oft antisemitisch beleidigt. Zum Schock über die Diskriminierung kommt jener hinzu, dass die Offiziellen nichts dagegen unternehmen.
- „Flutlicht an. Im Gespräch mit der Wortpiratin“, der Podcast auf SPORT1, in dem Journalistin und Autorin Mara Pfeiffer Menschen in den Mittelpunkt stellt, die im schnelllebigen und lauten Fußballgeschäft oft zu wenig im Rampenlicht stehen.
Die Erfahrung vergisst der Junge nicht. Er selbst liebt die Aufgabe als Referee, berichtet aber von seinem zunehmenden Unbehagen mit der teilweise ausufernden Gewalt in den unteren Ligen, die auch von Spielern ausgehe.
Es gibt Begegnungen, nach denen sich der Schiedsrichter bewusst von Freund*innen oder Familie abholen lässt, weil er sich nicht sicher fühlt. Als er Vater wird, hängt Stoler die Pfeife an den Nagel, trotz aller Leidenschaft.
Großer Fan des ukrainischen Fußballs
Und doch, dem Fußball bleibt er verbunden, trotz alledem: als Schiedsricher*innen-Betreuer beim FSV Frankfurt. In dieser Aufgabe versucht er, auf den Sport positiv einzuwirken, dem schlicht und ergreifend ein Teil seines Herzens gehört.
Er sei, erzählt der in Czernowitz geborene Stoler, auch großer Fan des ukrainischen Fußballs. Als Zweijähriger geht er zum ersten Mal mit seinem Vater ins Stadion, die Mutter habe die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen aufgrund der neuen Schimpfwortkenntnisse des Sohnes im Anschluss.
Fußball, Schaschlik, Bier und eine große Gemütlichkeit, so beschreibt Stoler das typische ukrainische Stadionerlebnis: „Es fühlt sich ein bisschen wie Heimat an.“
Eine Heimat, die sich verändert hat. Nicht, weil 1991 Deutschland das Zuhause seiner Familie geworden ist und Stadionbesuche in der Ukraine seltener, sondern durch den Angriffskrieg von Putins Russland auf das Land.
Ukrainische Nationalmannschaft: „Wir müssen weitermachen“
All diese Erinnerungen und Themen sind sehr präsent bei ihm in den Tagen rund um das Länderspiel des DFB gegen die Ukraine. Die Partie erlebte er hautnah mit: Als „Team Liaison Officer“ betreut Stoler bei Nationalmannschaftsspielen für den DFB die gegnerischen Teams - so auch das aus der Ukraine am Montag.
„Für die ukrainische Nationalmannschaft ist es sehr wichtig, präsent zu sein und zu zeigen: Wir müssen weitermachen“, findet Stoler. Für ihn selbst hat der Ausflug nach Bremen natürlich eine ganz besondere Bedeutung. Der Schmerz über die Zerstörung der Heimat begleitet ihn und seine Angehörigen im Alltag, Teile der Familie leben weiter in der Ukraine.
Dem Sport, sagt Stoler, komme eine besondere Bedeutung zu in Zeiten wie diesen. Er verbinde und habe die Kraft, Menschen das zu geben, was sie gerade so dringend brauchen: Hoffnung.