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Ammar Riad Abduljabbar: Deutscher Olympia-Boxer in Sorge um seine Mutter

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Ammar Riad Abduljabbar: Deutscher Olympia-Boxer in Sorge um seine Mutter

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Deutschem Olympia-Starter droht Familiendrama

Ammar Riad Abduljabbar kämpfte bei Olympia im Boxen für Deutschland. Jetzt sollen seine Mutter und sein Bruder abgeschoben werden - und er gibt ein emotionales Versprechen.
Boxer Ammar Riad Abduljabbar (blaues Outfit) scheiterte bei Olympia in Tokio im Schwergewicht erst im Viertelfinale
Boxer Ammar Riad Abduljabbar (blaues Outfit) scheiterte bei Olympia in Tokio im Schwergewicht erst im Viertelfinale
© Imago
Jonas Nohe
Jonas Nohe

Bei den Olympischen Spielen in Tokio hat Ammar Riad Abduljabbar für die deutsche Mannschaft im Ring gestanden, scheiterte im Schwergewicht (bis 91 kg) erst im Viertelfinale am russischen Weltmeister und späteren Silbermedaillengewinner Muslim Gadzhimagomedov.

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Nur wenige Wochen später hat sich der 25-Jährige, der im Alter von 15 Jahren aus dem Irak nach Deutschland gekommen war, mit emotionalen Worten zu einem bevorstehenden Familiendrama geäußert.

Denn: Obwohl Abduljabbar in Tokio unter der deutschen Flagge antrat und obendrein bei der deutschen Bundeswehr ist, soll seine Mutter das Land verlassen.

Boxen: Abduljabbar dachte an Olympia-Verzicht

„Meine Mama darf nicht in Deutschland bleiben. Aus welchem Grund, das weiß ich nicht - aber sie soll abgeschoben werden“, verriet Abduljabbar in der NDR-Talkshow „Deep und deutlich“.

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„Ich sehe Deutschland als mein Land, ich bin bei der Bundeswehr. Vielleicht beherrsche ich die deutsche Sprache nicht zu 100 Prozent, aber ich fühle mich wie ein Deutscher“, sagte der Hamburger und betonte: „Ich lebe sehr gerne hier, genau wie meine Mama - aber meine Mama darf nicht hierbleiben.“

Aufgrund der drohenden Abschiebung hätte Abduljabbar nach eigener Aussage sogar beinahe auf die Olympia-Teilnahme verzichtet.

„Ich wollte gar nicht nach Tokio, ich wollte hierbleiben. Damit, wenn meine Mama wieder in den Irak muss, dass ich mit ihr fliege“, erklärte der gebürtige Iraker.

In seinem Geburtsland fürchtet er um die Sicherheit und sogar das Leben seiner Mutter.

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„Gehe lieber mit, damit wir zusammen sterben“

„Ich bin sicher: Meine Mama kann im Irak nicht leben. Es gab Gerüchte, was sie in Deutschland gemacht hat: ohne Kopftuch, ihre Geschwister haben das gesehen - und sie wurde bedroht, dass sie vielleicht umgebracht wird“, berichtete Abduljabbar - und schob ein ebenso bemerkenswertes wie erschütterndes Versprechen hinterher: „Ich gehe lieber mit meiner Mama, damit wir zusammen sterben, als dass ich sie alleine in den Irak schicke!“

Groll auf den deutschen Staat hegt der Boxer vom SV Polizei Hamburg jedoch nicht - ganz im Gegenteil.

„Ich muss ehrlich sagen: Deutschland hat alles für mich getan! Ich durfte trainieren, ich durfte zur Schule gehen, essen, trinken. Ich muss keine Angst haben, dass ich morgen vielleicht kein Essen bekomme“, schwärmte Abduljabbar.

Boxer Ammar Riad Abduljabbar kämpft für den SV Polizei Hamburg
Boxer Ammar Riad Abduljabbar kämpft für den SV Polizei Hamburg

Zudem habe Deutschland seinen kleinen Bruder gerettet, der als Kind sehr krank gewesen sei und insbesondere im Irak nur eine geringe Überlebenschance gehabt hätte.

Abduljabbar schwärmt von Deutschland

„Er hat ein Loch in seinem Herz gehabt, ich war seine Beine. Ich musste ihn immer tragen, egal, wo wir hingegangen sind“, erinnerte sich Abduljabbar: „Als wir dann in Deutschland waren, war er elf Jahre alt, er hat vielleicht 27 Kilo gehabt, er war richtig krank. Aber Gott sei Dank: Deutschland hat meinen kleinen Bruder gerettet.“

Er vergleiche den Irak und Deutschland immer mit einem leiblichen Vater, der nicht für einen sorgen konnte, und einem Stiefvater, der alles für einen getan habe.

„Für wen bist du dankbar? Für deinen Stiefvater! Und Deutschland ist mein Stiefvater“, erklärte Abduljabbar: „Es ist nicht mein leiblicher Vater, aber Deutschland hat alles dafür getan, dass ich hier erfolgreich werde.“

„Lebe ich heute weiter oder sterbe ich?“

Im Irak musste der heute 1,80 Meter große Modellathlet schon als Neunjähriger hart arbeiten, um die Familie zu ernähren, nachdem der Vater sich zu Fuß auf den beschwerlichen Weg nach Deutschland gemacht hatte.

„Ich habe alles gearbeitet. Sonst wäre meine Familie verhungert. Ich habe mit Tüten verkaufen angefangen, Plastiktüten auf dem Markt“, berichtete Abduljabbar: „Ich war jeden Tag um 3 Uhr wach, kein Wochenende und habe bis 16 Uhr gearbeitet, ich konnte nicht zur Schule. Ich musste arbeiten, damit wir nicht verhungern.“

Es sei eigentlich kaum vorstellbar, was er mit neun Jahren getan habe und welche Gedanken er sich in diesem Alter schon gemacht habe: „Diese Angst, jeden Tag aufzuwachen und zu sehen: Lebe ich heute weiter oder sterbe ich? Kann ich heute für meine Familie Essen bringen oder verhungern wir heute?“

Erst in Deutschland habe sich die Situation geändert, auch wenn er sich mit der Integration zu Beginn sehr schwergetan habe.

„Ich habe das am Anfang gar nicht verstanden: Wo sind meine Freunde? Was soll ich machen? Mit wem soll ich überhaupt sprechen? Ich war einsam. Die ersten zwei Jahre waren sehr, sehr schwierig, das muss ich ehrlich sagen“, erinnerte sich Abduljabbar.

Abduljabbars Vater schwärmte für Ali, Tyson und Co.

Sein Vater, der sich schon früher für legendäre Boxer wie Muhammad Ali, Mike Tyson oder Naseem Hamed begeistert hatte, brachte ihn schließlich zum Sport - obwohl der Junior zunächst skeptisch war.

Im olympischen Achtelfinale setzte sich Ammar Riad Abduljabbar (r.) gegen den Peruaner José María Lúcar Jaimes durch
Im olympischen Achtelfinale setzte sich Ammar Riad Abduljabbar (r.) gegen den Peruaner José María Lúcar Jaimes durch

„Ich habe gedacht: Was ist Sport? Boxen, was soll das? Warum soll ich das machen? Das bringt mir doch kein Geld“, verriet der deutsche Schwergewichtsmeister von 2018. (NEWS: Alle aktuellen Infos zum Boxen)

Obendrein sei er damals noch sehr klein und dünn gewesen, weil er im Irak nur wenig zu essen hatte. Erst in Deutschland sei er noch mal 20 bis 25 Zentimeter gewachsen.

Aber er tat dem Vater den Gefallen.

„Ich dachte: Papa, du hast so viel für uns getan - dann mache ich das für dich. Nur für dich mache ich das“, sagte Abduljabbar - rückblickend eine gute Entscheidung.

Abschiebung? Abduljabbar bleibt optimistisch

Genau wie der Olympia-Starter soll sein Vater übrigens in Deutschland bleiben dürfen - wohingegen nach derzeitigem Stand neben Abduljabbars Mutter auch der kleine Bruder abgeschoben werden soll.

Wie im Ring will Abduljabbar aber auch in dieser Angelegenheit noch lange nicht aufgeben - und bleibt optimistisch.

„Ich glaube nicht, dass Mama uns verlässt“, meinte er - und versprach: „Und wenn, dann fliege ich mit.“

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